Wie wirkt sich Sport auf die mentale Gesundheit aus?

Ein Beitrag von Amelie Hugo

Die Autorin studiert im 2. Semester Medizin in Heidelberg und macht sehr gerne Sport – vor allem Laufen, Bouldern, Fitness und Yoga.

Wenn ich nach einer kleinen Runde joggen nach Hause komme, fühle ich mich rundum zufrieden und ausgepowert. Mein Kopf ist frei und alle Sorgen sind völlig in den Hintergrund getreten. Genau dieses Gefühl ist es, wieso ich Sport, und vor allem Laufen, so liebe.

Sport und Bewegung sind mittlerweile sehr positiv mit mentaler Gesundheit assoziiert. Vor allem Ausdauersport sorgt für die Ausschüttung der Glückshormone Serotonin und Endorphinen. Diese sorgen dafür, dass wir euphorisch glücklich werden.

Das tiefere Gefühl der Zufriedenheit lässt sich durch den Abbau von Stresshormonen durch Sport erklären. Sport ist für den Körper eine Form von Stress, daher wird, während wir Sport treiben, die Stresshormone Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol ausgeschüttet. Durch Sport gelangt mehr Sauerstoff in die Zellen und der Abbauprozess der Stresshormone wird so sehr angekurbelt, dass mehr abgebaut wird als ausgeschüttet wurde. Die Folge davon ist, dass weniger Stresshormone in unserem Körper vorhanden sind und wir somit entspannter sind. Man kann diese Art von Stress also auch als positiven Stress bezeichnen.

Gleichzeitig wird durch die zeitweisen hohen Konzentrationen an Stresshormonen unsere Stressresistenz erhöht. Wenn wir uns also in einer stressigen Situation befinden, werden durch regelmäßiges Training weniger Stresshormone ausgeschüttet.

Sport ist daher auch als psychotherapeutische Maßnahme, besonders bei Patient:innen mit Depressionen oder Angstzuständen, weit verbreitet. Laut der WHO bestärkt regelmäßiger Sport das „allgemeine Wohlbefinden“. Die WHO empfiehlt für erwachsene, körperlich gesunde Menschen mindestens 150-300 min moderates aerobes Training oder mindestens 75-150 min intensives aerobes Training pro Woche, sowie zusätzliches Muskelkräftigungstraining an 2 oder mehr Tagen der Woche.

Das klingt erstmal viel und ich kann mir gut vorstellen, dass diese Menge an Sport für Menschen, die wenig Sport treiben, erstmal überfordernd wirkt. Auch der Druck Sport machen zu müssen, kann emotionaler Dauerstress sein und ist nicht gesundheitsförderlich.

Natürlich ist es nur eine Richtlinie der WHO, aber sollte ich mich schlecht fühlen, weil ich in einer Woche vielleicht mal nur 120min joggen war und nur einmal Krafttraining gemacht habe? Ist das nicht besser als gar nichts, wenn es mir gut geht?

Nicht jeder Mensch möchte sich außerdem auf die Minute genau aufschreiben, wie viel Sport er oder sie gemacht hat, um alles dann am Wochenende zusammenzurechnen und zu überprüfen, ob man am Sonntagabend nicht doch noch Sport machen muss, um das Wochenziel zu erreichen. Wirken sich Richtlinien wie die der WHO positiv auf unsere mentale Gesundheit aus, wenn wir sie strikt befolgen?

Auch wenn man ein bestimmtes Ziel hat, wie zum Beispiel einen Halbmarathon zu laufen, kann ein Trainingsplan helfen, dieses Ziel zu erreichen. Aber was ist, wenn die Woche im Job oder der Uni hart war, eine Freundin meine Hilfe braucht und mein Körper eigentlich einfach nur Ruhe bräuchte? Sollte ich den Trainingsplan durchziehen, wenn mein Körper und meine Seele ganz klar „nein!“ rufen? Für meinen Körper und vor allem meine Seele bedeutet Sport dann nur eine zusätzliche Belastung. Ein sportliches Ziel zu erreichen, aktiviert unser Belohnungssystem. Wenn man aber zwanghaft versucht, die Richtlinien der WHO oder einen Trainingsplan einzuhalten, kann das nicht gesundheitsfördernd sein.

Laut RKI kann das Übertrainingssyndrom, kurz ÜTS, und auch das „Sportliche Burnout“ nicht nur bei Leistungssportler:innen sondern auch bei Freizeitsportler:innen auftreten. Neben einem Leistungsabfall treten bei beiden Erkrankungen auch depressive Symptome auf. Das sportliche Burnout wird im Online-Paper „Körperliche Aktivität und psychische Gesundheit“ des RKIs nur auf die psychische Gesundheit bezogen. Allerdings möchte ich hier hinzufügen, dass besonders im Sport die mentale Leistungsfähigkeit fast genauso wichtig ist, wie die körperlichen Voraussetzungen. Erklärt werden beide Phänomene durch eine zu hohe Trainingsbelastung bei unzureichender Regeneration.

Die Regenerationskapazität ist besonders in stressigen Lebensphasen sehr gering. Wenn man gerade so zwischen zwei Terminen Zeit findet eine Runde laufen oder ins Fitnessstudio zu gehen, ist es sehr schwer auch noch Zeit einzuräumen, um sich danach adäquat zu erholen. Oft leidet dann die Schlafquantität und -qualität darunter. Ein sportliches Burnout oder ein ÜTS ist während einer stressigen Phase im Job oder dem Studium das letzte, was man durch Sport erzielen möchte.

Gerade bei Menschen, die gewohnt sind anhand ihrer Leistung bewertet zu werden, kann sich Sport negativ auf die mentale Gesundheit auswirken. Dieses Leistungsbedürfnis wird dann zusätzlich zum ohnehin schon leistungsorientierten Alltag z. B. im Klinikum oder der Uni, auf die sportliche Leistungsfähigkeit projiziert. Natürlich können sportlicher Ehrgeiz und sportliche

Erfolge mental stärken und Selbstvertrauen schaffen. Wenn ich mich aber ständig frage, ob alle Menschen, denen ich auf meiner Joggingrunde begegne, sich darüber lustig machen, wie langsam und verschwitzt ich bin oder ich davon überzeugt bin, dass ich mir nicht den Schuh binden kann, weil sonst mein jetziger Lauf langsamer als der letzte ist und so meine Leistungskurve nicht weiter steigt, ist Sport nur ein weiterer emotionaler Trigger in einem leistungsorientierten Leben.

Wäre es nicht schön, wenn wir Sport als wirklichen Ausgleich sehen würden und nicht nur die sportliche Leistung in Betracht ziehen würden? Wenn wir das „ich muss jetzt Sport machen“ durch ein „ich möchte jetzt Sport machen“ ersetzen würden? Wenn wir genau die Sportart machen würden, auf die wir jetzt gerade Lust und nicht die, die dafür sorgt, dass unser Körper „am besten“ aussieht oder die gesellschaftlich am meisten akzeptiert ist. Wenn wir es zulassen würden, uns ab und zu mal eine sportfreie Woche zu gönnen. Ich glaube dann wäre Sport für unsere mentale Gesundheit tatsächlich gesund.

Ich habe für mich festgestellt, dass mir Sport mental nur guttut, wenn ich genug Zeit für Regeneration habe. Wenn ich Sport machen möchte und meine innere Stimme voller Motivation und Zuversicht ist. Wenn ich mal eine Woche habe, in der ich merke, dass Sport gerade nicht das Richtige für mich ist und mein Körper sich schwach und ausgelaugt fühlt, ist es auch okay mal weniger als 150min pro Woche Sport zu machen. Meistens bin ich in der Woche danach dann automatisch viel aktiver.

Die Wirkung die Sport auf meine mentale Gesundheit hat, bleibt für mich das schönste Gefühl. Doch dieses Gefühl kann ich nur erreichen, wenn ich Zwang und Leistungsdruck vom Sport trenne.

Quellen:

  1. Cassone, Britta: „Wie der Sport den Stress besiegt“, 2023; https://www.dak.de/dak/gegen-stress/sport-gegen-stress-2366120.html#/
  2. Chekroud, Sammi R et al.: „Association between physical exercise and mental health in 1·2 million individuals in the USA between 2011 and 2015: a cross-sectional study“, 2018; https://www.thelancet.com/journals/lanpsy/article/PIIS2215-0366(18)30227- X/fulltext
  1. Hamberger, Beatrice: „Mit Sport Stress abbauen“, 2020; https://www.tk.de/techniker/magazin/life-balance/aktiv-entspannen/stress-abbauen- mit-sport-und-bewegung-2093232?tkcm=ab
  2. Röcker, Annika: „In Bestform“, 2021; https://www.spektrum.de/kolumne/regeneration- nach-dem-sport-wie-viel-erholung-muss-sein/1915714
  3. Roth, Daro: „Leistung und Sport – wie Sport die Psyche be- und entlasten kann“, 2019; https://instahelp.me/de/magazin/beruf-und-karriere/leistung-und-sport-wie-sport-die- psyche-be-und-entlasten-kann/
  4. Schulz, K. H.: „Körperliche Aktivität und psychische Gesundheit“, 2011; https://www.rki.de/DE/Content/Service/Sozialberatung/BGBL_Krprl_Akt_psych_Ges und.pdf?__blob=publicationFile
  5. WHO: „Physical activity“, 2022; https://www.who.int/news-room/fact- sheets/detail/physical-activity

Ein Gedanke zu „Wie wirkt sich Sport auf die mentale Gesundheit aus?

  1. Lara Antworten

    Ganz ehrlich, dieser Artikel hat mir aus der Seele gesprochen! Es ist so erfrischend zu lesen, dass Sport nicht immer mit Hochleistung und strikten Plänen verbunden sein muss, sondern auch einfach Spaß machen und der mentalen Gesundheit dienen soll. Die Idee, dass wir uns vom „Muss“ zum „Möchte“ beim Sport bewegen, finde ich super motivierend. Und dass es okay ist, sich auch mal eine Pause zu gönnen, wenn der Körper oder die Seele danach verlangt, nimmt so viel Druck weg.
    Hat jemand Tipps, wie man am besten in diesen entspannten Sportmodus findet?

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