Mehr mentale Gesundheit = Mehr Gesundheits- und Krankenpflege?

Ein Beitrag von Felix Radtke.

In unserer Reihe Journal Club stellen wir in unregelmäßigen Abständen aktuelle Veröffentlichungen zum Thema mentale Gesundheit im Gesundheitswesen vor.

Im Juni dieses Jahrs ist ein systematischer Review von Ellen Bakker erschienen (Bakker et al., 2020), welches sich mit der Fragestellung beschäftigt, ob Interventionen, die auf die mentale Gesundheit von Studierenden wie Auszubildenden der Gesundheits- und Krankenpflege abzielen, zu einer geringeren Abbruchquote führen. Hierzu wurden 21 Studien untersucht, von denen fünf eine signifikante Änderung der Abbruchquote zeigen (vgl. Bakker et al., 2020). 

Warum ist dies interessant? Nicht zuletzt führen der Pflegenotstand, aber auch der Ärzt*innenmangel zu einem großen Interventionsbedarf in Deutschland, und fehlen bislang Strategien, um Auszubildende wie Studierende mit hoher Wahrscheinlichkeit (A) zu einem erfolgreichen Abschluss zu führen und (B) sie  langfristige im Gesundheitsberuf im Inland zu binden.  

So stellen Bakker et al. fest, dass es eine signifikante Fallzahl von Depressionen, Angststörungen und Disstress bei den untersuchten Studierenden und Berufsanfänger*innen in der Pflege gibt. Dies ist ein Umstand, den wir an verschiedener Stelle schon zitiert haben und als Problembeschreibung bereits untersucht wurde. Der Erkenntnisgewinn der Arbeit von Bakker et al. besteht nun darin, die darauf bezogenen Interventionen, die in einigen Studien durchgeführt wurden, mit Abbruchquoten zu assoziieren, um dem Nachweis eines arbeitsmarktpolitischen Effekts näherzukommen.   

Unter anderem aufgrund der großen Variabilität der Interventionen ist hier naturgemäß von einem vergleichsweise hohen Bias auszugehen. Die systematische Analyse ohne klassische Metaanalyse wurde synthetisiert, indem die Studien nach Zielgruppe und Interventionsart sortiert und die jeweiligen Ergebnisse zusammengeführt wurden. Drei Interventionsgruppen wurden hierbei untersucht: Stressmanagement, die Vereinfachung des Übergangs in die Praxis und ein kombiniertes Vorgehen. Die Analyse deutet darauf hin, dass alle diese Interventionsgruppen möglicherweise die Abbruchquote senken könnten, aber dass gleichzeitig ein großer Bedarf nach weiteren, qualitativ hochwertigen Studien bestehe. Zuletzt – so merken auch die Autor*innen an – können die Gründe für einen Abbruch der Ausbildung oder des Studiums nicht unilateral auf mentale Gesundheit zurückgeführt werden. Dennoch ist gerade dies ein bislang in Forschung und Praxis zu wenig beachteter Faktor. 

Entsprechend ist es sehr zu begrüßen, dass systematische Studien zum Effekt von Interventionen wie Stressmanagement entstehen, um die mangelnde Evidenz in diesem Bereich mit hochwertigen Analysen zu füllen. Gleichzeitig zeigt sich ein klarer Mangel an primären Daten, und eine stark erschwerte Möglichkeit der Metaanalyse aufgrund der großen Variabilität der gemessenen Größen. – Entsprechende studienbegleitete, evidenzbasierte Interventionen für Gesundheits- und Krankenpflegefachkräfte in Deutschland durchzuführen, bleibt ein Desiderat für Praxis und Forschung. 

Literaturangaben 

Bakker EJM, Kox JHAM, Boot CRL, Francke AL, Van Der Beek AJ, Roelofs PDDM. Improving mental health of student and novice nurses to prevent dropout: a systematic review [published online ahead of print, 2020 Jun 15]. J Adv Nurs. 2020;10.1111/jan.14453. doi:10.1111/jan.14453 

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