Sophie ist Gesundheits- und Krankenpflegerin. Auf ihrem Instagram-Kanal @nurse.est2020 berichtet sie ungefiltert aus ihrem Berufsalltag – von den stressigen und den schönen Momenten.
Zu den schönsten Dingen meines Berufes gehört es zuzusehen, wie es meinen Patient*innen immer besser geht, bis sie, vielleicht sogar ganz gesund, das Krankenhaus verlassen können. Doch manchmal, da geht das nicht. Manchmal, da schlägt der Lauf des Lebens eine ganz andere Richtung ein.
Manchmal, da muss ich, trotz aller Bemühungen, dabei zusehen, wie es jemandem immer schlechter geht.
Manchmal, da sind wir, Medizin und Pflege, am Ende unserer Möglichkeiten angelangt. Manchmal, da können wir nicht mehr heilen, da können wir nur Leid lindern, Schmerzen reduzieren und Lebensqualität erhalten, (letzte) Wünsche erfüllen und Zuspruch bieten.
Ein schwerer Unfall, eine erschütternde Diagnose und *zack* das Leben steht Kopf. – Nichts mehr ist wie es war. Plötzlich bin auch ich, als Pflegeperson, irgendwie Teil der Geschichte. Ich erlebe viele Schicksale meiner Patient*innen sozusagen hautnah mit.
Doch wie schaffe ich es, dass es bei „hautnah“ bleibt und nicht zu sehr unter die Haut geht? Ganz ehrlich – manchmal bin ich auch einfach traurig, nachdenklich oder wütend. Ich bin, auch als Pflegeperson, eben ein Mensch und habe Gefühle – auch im Dienst. Ich bin nicht selten einfach geschockt, welch Leid mancher Mensch ertragen muss. Trotzdem muss ich meine Arbeit weiterhin gewissenhaft und bis zu einem gewissen Grad objektiv machen. Meine Patientin auf Zimmer 14, die glücklich ist, weil sie morgen nach Hause gehen darf, soll nicht merken, dass ich auf Zimmer 7 gerade eine Patientin betreue, die die nächsten Stunden nicht erleben wird. Ich muss mich deshalb auch mit meiner Gefühlslage an jede individuelle Situation der verschiedenen Patient*innen immer neu anpassen. Was mir im Zusammenhang mit sterbenden Patient*innen bzw. schweren Schicksalsschlägen durch den Kopf geht? Besonders schwer fällt es mir, wenn ich die Situation auf mein privates Leben umlegen kann. Wenn mich die Patientin an meine Oma erinnert, oder sie genauso alt ist wie meine Mama. Ich darf mir dann nicht vorstellen, dass an ihrer Stelle eben meine Oma liegen könnte oder ich die Angehörige bin, die weinend im Zimmer steht. Solange ich diese Gedanken nicht weiterspinne, kann ich meist sehr gut damit umgehen. Das klingt vielleicht komisch, aber ich darf einfach nicht denken „Was wäre, wenn…“.
Patient*innen im Sterben zu betreuen, fällt mir in der Regel nicht so schwer, weil ich mich mit dem Gedanken rette, dass ich alles dafür tue, damit sie würdevoll gehen können. Natürlich gehe ich trotzdem mit einem anderen Gefühl in deren Zimmer, weil ich weiß, dass deren letzte Lebensphase begonnen hat. Der Tod gehört zum Leben – und doch fühlt es sich einfach nicht gut an, wenn er gekommen ist. Ich erinnere mich noch genau an meinen ersten Todesfall im Dienst. Ich musste ein EKG schreiben, um den Tod endgültig festzustellen. Der Moment, als die Nulllinie auf dem EKG-Papier ausgedruckt wurde – das fühlte sich so falsch an. Mit viel Respekt, immer noch mit dem Patienten sprechend, als würde er noch leben, haben wir ihn frisch gemacht und das Bett schön für die Angehörigen hergerichtet.
Genau jene, die Angehörigen, sind es, die, meist völlig aufgelöst, auf der Station erscheinen. Ein heikles Thema für mich – denn der Umgang mit ihnen fällt mir besonders schwer. Weinende Mütter, Töchter, Brüder, Enkel… Nichts für sie tun zu können. Schwierig für mich. Oft kann ich ihnen wenigstens sagen, dass ihr*e Liebste*r wahrscheinlich keine Schmerzen hat/hatte, und dass der Tod für sie*ihn wohl eine Erlösung ist. Ich kann ihnen Gespräche anbieten und Kontakt zur Seelsorge vermitteln – doch trotzdem fühle ich mich irgendwie hilflos. Hilflos, weil ich den Tod nicht verhindern kann und weil es einfach immer schwer ist, die Liebsten gehen zu lassen.
Die Blogeinträge spiegeln die persönlichen Meinungen und Erfahrungen der Autor*innen wider.