Besondere Zeiten erfordern besondere Formate. Um herauszufinden, was euch aktuell beschäftigt, haben wir kurzerhand die Kurzinterviews entwickelt.
Ob Pflegekraft, Student*in, Psycholog*in, Ärzt*in, Reinigungskraft, MFA oder Mitarbeiter*in im Bettenaufbereitungsdienst: uns interessiert, was COVID-19 mit dir und deinem Arbeitsalltag macht.
Die Fragen sind immer die gleichen:
1. Welcher beruflichen Belastung siehst du dich aufgrund von Covid-19 ausgesetzt?
2. Wie gehst du ganz persönlich mit dieser Belastung um?
3. Was brauchst du jetzt (von deinem Arbeitgeber, von der Politik, von Patient*innen und Angehörigen), um gesund und sicher arbeiten zu können?
3 Fragen, wenige Minuten und viele Erkenntnisse: unsere Kurzinterviews. Viel Freude beim Stöbern!
Ihr kennt jemanden oder würdet gern selbst ein Kurzinterview geben? Meldet euch ganz unkompliziert unter kontakt@blaupause-gesundheit.de.
Person 1 (Medizinstudent, 10. Semester):
- Welcher beruflichen Belastung siehst du dich aufgrund von Covid-19 ausgesetzt?
Mich belastet, dass trotz bisher gutem Krisenmanagement der eigenen Universität und besonders der medizinischen Fakultät der weitere Studienverlauf höchst unklar ist und von bundespolitischer Seite und den Landesprüfungsämtern wenige handfeste und teilweise widersprüchliche Aussagen getätigt werden.
- Wie gehst du ganz persönlich mit dieser Belastung um?
Ich engagiere mich in der Patientenversorgung und versuche die ‚fertigen‘ Kolleginnen und Kollegen zu unterstützen.
- Was brauchst du jetzt (von deinem Arbeitgeber, von der Politik, von Patient*innen und Angehörigen), um gesund und sicher arbeiten zu können?
Von der Gesundheitspolitik, den Hochschulen und Landesprüfungsämtern wünsche ich mir, dass trotz der epidemischen Lage von nationaler Tragweite uns Planungssicherheit und Entgegenkommen in Bezug auf Staatsexamina und anderen Prüfungen, soweit irgendwie möglich, gegeben wird.
Person 2 (Assistenzärztin, 3. Jahr):
- Welcher beruflichen Belastung siehst du dich aufgrund von Covid-19 ausgesetzt?
Aktuell nehmen Eindämmungsmaßnahmen und Infektionsschutz einen großen Anteil der klinischen Tätigkeit ein, von Überlegungen, welche Erkrankungen dringend und unaufschiebbar stationär behandelt werden müssen, wie man sicherstellt, dass sich Personal und Patient*innen nicht anstecken, bis hin zu ganz praktischen Aspekten, wie Besprechungen als Telefonkonferenzen zu halten oder ausreichend Schutzkleidung zu organisieren. Zu diesem Zeitpunkt steht vor allem das Warten im Vordergrund, ob die Eindämmungsmaßnahmen greifen und die Vorbereitungen ausreichen. Gerade in Isolationsbereichen oder Arbeitsplätzen wie Abklärungszentren oder der Notaufnahme, besteht natürlich auch ein erhöhtes Risiko, selbst infiziert zu werden bzw. andere anzustecken. Aktuell befinden sich Kliniken und medizinisches Personal in einer absoluten Ausnahmesituation.
- Wie gehst du ganz persönlich mit dieser Belastung um?
Ich finde es wichtig, dass Mitarbeiter*innen in Kliniken, die sich beruflich um andere kümmern, im Team aufeinander aufpassen. Überdies gebe ich mir Mühe, trotz der belastenden Lage kleine Momente der Freude oder des Humors im Alltag zu finden. Mit Kolleg*innen oder Patient*innen zu lachen, kann viel bewirken. Gerade jetzt sind gegenseitige Unterstützung und Zusammenhalt wichtig wie noch nie.
Weil niemand weiß, wie sich die Situation in den nächsten Wochen und Monaten entwickeln wird, versuche ich, einen Ausgleich zu schaffen und körperlich wie psychisch meine Batterien regelmäßig aufzuladen: Ich plane aktiv Zeit ein für Bewegung, kreative Beschäftigung oder Lesen, auch wenn es nur für ein paar Minuten nach dem Dienst reicht (und ich eigentlich lieber bewusstlos ins Bett fallen würde). Ich glaube, dass Selbstfürsorge gerade in diesen Zeiten wichtig ist, um wohlbehalten und gesund durch die Krise zu kommen – schließlich soll man in einem Notfall auch zuerst seine eigene Sauerstoffmaske aufsetzen, bevor man anderen hilft.
- Was brauchst du jetzt (von deinem Arbeitgeber, von der Politik, von Patient*innen und Angehörigen), um gesund und sicher arbeiten zu können?
Für Angehörige ist das Besuchsverbot eine verständlicherweise belastende Situation, gerade, wenn es sich um Patient*innen handelt, deren klinischer Zustand schlecht ist oder in Fällen (z.B. im Rahmen von Demenzerkrankungen) in denen regelmäßige Besuche der Familie einen positiven Ausgleich schaffen würden. Wo es geht, versuchen Stationsärzt*innen, Angehörigengespräche telefonisch zu führen und über die aktuelle Situation zu informieren, trotzdem gibt es viel verständliche Frustration und Unsicherheit.
Ich würde mir an mancher Stelle mehr Verständnis von Patient*innen im Krankenhaus wünschen, zum Beispiel für Wartezeiten, die durch die personelle Überlastung oder notwendige Isolationsmaßnahmen entstehen. Das medizinische Personal versucht mit allen Kräften, eine ideale medizinische Versorgung aller dringenden Fälle zu gewährleisten, das heißt aber auch, dass nicht-dringende medizinische Anliegen – im Rahmen des aktuellen Notfallbetriebs, aber auch, um Patient*innen nicht länger als unbedingt nötig im Krankenhaus zu behalten – nicht in dem Maße abgeklärt werden können, wie es unter “normalen” Umständen der Fall war.
Ich würde mir zudem wünschen, dass Präventionsmaßnahmen wie social distancing von vielen noch konsequenter durchgehalten würden, damit vulnerable Patient*innen geschützt und wertvolle – und bald vielleicht dringend benötigte – Ressourcen im Gesundheitssystem geschont werden können.
Person 3 (Prof. Dr. med. Sarah Kittel-Schneider, Stellvertretende Klinikdirektorin, Bereichsleitung Entwicklungspsychiatrie, Zentrum für Psychische Gesundheit, Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, Würzburg)
- Welcher beruflichen Belastung sehen Sie sich aufgrund von Covid-19 ausgesetzt?
Sowohl die stationäre als auch die ambulante Patientenversorgung muss deutlich anders organisiert werden wegen der Corona-Pandemie und dies ändert sich zudem ständig, je nach der Gesamtsituation. Wir haben gute Lösungen, es ist aber auch zeitintensiv und eine Arbeit, die fortwährend im Fluss ist. Zudem würden wir unseren Patienten natürlich gerne mehr anbieten können an Therapieprogramm und auch die therapeutischen Belastungserprobungen fehlen, aber meistens treffen wir auf Verständnis. Auch für die Lehre braucht es ganz neue Konzepte und Optionen, die nun sehr rasch umgesetzt werden müssen. Die Forschung wurde deutlich zurückgefahren, außer, was Corona direkt betrifft, was auch auf die Dauer Probleme mit sich bringen kann und die Ungewissheit, wie es damit weitergeht, ist eine gewisse Belastung.
- Wie gehen Sie ganz persönlich mit dieser Belastung um?
Ich persönlich versuche auch Chancen in der Krise zu sehen, ich bin generell offen, neue Konzepte auszuprobieren, die vielleicht auch nach der Pandemie Anwendung finden können. Jeder Tag bringt etwas neues, so dass ich auch viel lernen und mitnehmen kann und freue mich auch, wenn unser Team Sachen gut umsetzt und die Patienten unsere Bemühungen honorieren. Im Privatleben muss man sich auch anderen, nicht Corona-bezogenen Sachen widmen und versuchen das zu genießen, was im Rahmen der Gesamtsituation möglich ist.
- Was brauchen Sie jetzt (von Ihrem Arbeitgeber, von der Politik, von Patient*innen und Angehörigen), um gesund und sicher arbeiten zu können?
Ich denke, dass mein Chef und unser Team hier zu Beginn der Pandemie sehr gut und entschlossen reagiert haben, so dass wir nun im Rahmen der Möglichkeiten wieder ein gutes therapeutisches Angebot machen können und vorsichtig weiter ausbauen könne, was dann auch für mehrere Monate funktionieren wird. Von der Politik wünsche ich mir eher Unterstützung für die von der Pandemie besonders betroffenen Personen wie Alleinerziehende und Menschen, die ihren Beruf momentan gar nicht ausüben können sowie auch psychisch kranke Menschen. Zudem wünsche ich mir weiterhin Verständnis von unseren Patienten und Angehörigen, dass wir eben nicht alles anbieten können, was sonst so möglich ist. Ich persönlich habe aber aktuell alles, was ich brauche um arbeiten zu können und auch gesund durch die Pandemie zu gehen, dafür bin ich auch sehr dankbar.
Person 4 (Medizinstudentin, 4. Semester)
- Welcher beruflichen Belastung siehst du dich aufgrund von Covid-19 ausgesetzt?
Da ich ja noch studiere gibt es für mich keine direkte berufliche Belastung, aber mein Studium verändert sich dadurch natürlich. Gerade in Bezug auf das Physikum im Sommer kann diese permanente Unsicherheit zu Stresssituationen führen. Wegen der aktuellen Situation beginnt die erste Hälfte unseres Semesters ja jetzt mit Online-Veranstaltungen und ich hoffe, dass dabei gerade bei den Praktika keine nützlichen Inhalte verloren gehen.
- Wie gehst du ganz persönlich mit dieser Belastung um?
Um die langen Semesterferien zu überbrücken und trotzdem einen halbwegs geregelten Tagesablauf zu behalten, habe ich sehr schnell begonnen zuhause im Gesundheitsamt bei der Corona-Hilfe zu arbeiten. Es gibt mir ein gutes Gefühl etwas positives zur jetzigen Situation beizutragen und zeitgleich auch eine sinnvolle Aufgabe zu haben.
- Was brauchst du jetzt (von deinem Arbeitgeber, von der Politik, von Patient*innen und Angehörigen), um gesund und sicher arbeiten zu können?
Sichere Regelungen in Bezug auf das Stattfinden von Prüfungen und Lehrveranstaltungen, gerade auch wegen des Staatsexamens im Sommer. Da es mir sonst sehr schwer fällt einen effektiven Lernplan zu gestalten und einzuhalten.
Person 5 (PD Dr. med. Andreas Menke, Chefarzt, Medical Park Chiemseeblick)
- Welcher beruflichen Belastung siehst du dich aufgrund von Covid-19 ausgesetzt?
Als Chefarzt ist man gleichermaßen für die Gesundheit seiner Patienten und seiner Mitarbeiter verantwortlich. Die COVID-19 Pandemie erfordert ein in seiner Umfänglichkeit noch nie dagewesenes Hygienemanagement, um Infektionen zu verhindern. Es ist also wichtig, die Maßnahmen zu etablieren, ohne dabei das Therapieangebot signifikant zu schmälern oder den Klinikbetrieb zu gefährden. Dabei ist eine hohe Flexibilität erforderlich, da aufgrund neuer wissenschaftlicher Ergebnisse immer wieder Dinge angepasst werden müssen.
- Wie gehst du ganz persönlich mit dieser Belastung um?
Eine transparente Kommunikation mit allen Beteiligten finde ich sehr wichtig. Das erhöht die Akzeptanz der Maßnahmen und optimiert somit die Durchsetzung. Letztlich steigt so die Sicherheit für alle, Patienten und Mitarbeiter.
- Was brauchst du jetzt (von deinem Arbeitgeber, von der Politik, von Patient*innen und Angehörigen), um gesund und sicher arbeiten zu können?
Von der Politik wünsche ich mir auch eine transparente Kommunikation der aktuellen Lage und der nötigen Maßnahmen. Dabei finde ich sehr wichtig, dass klar wird, warum welche Maßnahmen getroffen werden. Wenn Maßnahmen gefühlt willkürlich angeordnet werden, sinkt die Akzeptanz und erhöht die Unzufriedenheit, was für die Umsetzung der Maßnahmen sehr hinderlich ist.
Person 6 (Psychologin, in Ausbildung zur Psychologischen Psychotherapeutin (3. Jahr)
- Welcher beruflichen Belastung siehst du dich aufgrund von Covid-19 ausgesetzt?
Aufgrund der Coronakrise kommt es in meiner Ausbildung zu einer spürbaren Verzögerung: es fallen aktuell Seminartermine aus, Gruppentreffen können nicht stattfinden und Therapiesitzungen fallen aus (besonders bei Alleinerziehenden und Risikopatienten). Es ist unklar, wie die Ausbildung weitergehen wird und wann die Leistungen nachgeholt werden können. Auch wird sich die Ausbildung dadurch zwangsläufig verlängern, wodurch ein deutlicher finanzieller Nachteil entsteht. Die Regelungen in der Ambulanz sind in dieser Ausnahmesituation nicht immer transparent oder erfolgen nur sehr kurzfristig und werden teils nicht einheitlich umgesetzt. Inzwischen sollen in den Therapiesitzungen auch Masken getragen werden, was die Arbeit im psychotherapeutischen Setting weiter erschwert. Vor allem aber leiden die Pat. sehr unter der aktuellen Situation und sind noch belasteter als vor der Krise. Dies muss vom Psychotherapeuten abgefangen werden.
- Wie gehst du ganz persönlich mit dieser Belastung um?
Ich achte aktuell noch mehr als sonst auf meine Selbstfürsorge und versuche, viel Ausgleich zu schaffen. Ein weiterer Punkt ist, in der Krise nun auch mögliche Chancen zu sehen und zu ergreifen. Des Weiteren ist es hilfreich, sich mit KollegInnen auszutauschen, die in derselben Situation sind. Ich habe auch gelernt, meine Ansprüche herunterzuschrauben (längere Dauer der Ausbildung, geringeres Einkommen) und mit einer größeren Gelassenheit die Ausbildung weiterzuverfolgen.
- Was brauchst du jetzt (von deinem Arbeitgeber, von der Politik, von Patient*innen und Angehörigen), um gesund und sicher arbeiten zu können?
Ich würde mir mehr Informationen dazu wünschen, wie die Ausbildung auch in dieser Krisensituation weitergeführt werden kann und ein geplanter Approbationstermin eingehalten werden kann. Auch würde ich mir mehr Verständnis wünschen, eine flexiblere Handhabung der möglichen anrechenbaren Leistungen auf die Ausbildung, sowie frühzeitige Informationen zu neuen Regelungen. Von der Politik muss eindeutig mehr an die Unterstützung besonders belasteter Menschen, wie alleinerziehender Elternteile und psychisch Kranker gedacht werden.
Person 7 (Eva Elise Schneider, Psychotherapeutin und Dozentin, Universität Mainz)
- Welcher beruflichen Belastung siehst du dich aufgrund von Covid-19 ausgesetzt?
Für mich war zum einen der „Umzug“ ins homeoffice eine Belastung – bislang hatte ich Arbeit und Privatleben für meine Psychohygiene immer sehr klar getrennt, sodass ich z.B. keinerlei Arbeitsunterlagen zu Hause liegen hatte. Zum anderen musste ich als Dozentin für Psychologie in kürzester Zeit meine Lehre digitalfest machen und komplett neu konzipieren. In meiner Arbeit als Psychotherapeutin gab es zudem Hürden in der Umsetzung und Bereitstellung von Videosprechstunden. So brachte Covid-19 an den verschiedensten Ecken und Enden maßgebliche Herausforderungen mit sich, die ich aber auch in viel Tatendrang umwandeln konnte.
- Wie gehst du ganz persönlich mit dieser Belastung um?
Ich habe mir erstmal bewusst gemacht, dass meine Gefühle eine normale Reaktion auf eine unnormale Situation sind. Zu Hause habe ich mir eine klare Arbeitsroutine geschaffen und mich mich eng mit Kolleg*innen vernetzt, um uns z.B. über Lösungen für die digitale Lehre auszutauschen. Das hat mir viel Halt gegeben, schließlich sitzen wir alle im gleichen Boot. Zudem habe ich in dieser Zeit auch viel Kraft durch Kreativität entwickeln können, weil die ungewöhnliche Situation ungewöhnliche Ideen erfordert – so habe ich z.B. ein Lehrprojekt ins Leben gerufen, das auf Instagram über mentale Gesundheit aufklärt (@psychemalanders).
- Was brauchst du jetzt (von deinem Arbeitgeber, von der Politik, von Patient*innen und Angehörigen), um gesund und sicher arbeiten zu können?
Flexibilität. Deutschland ist das Land der Bürokratie – ich wünsche mir flexible Lösungen für Lehre und Prüfungsleistungen und zudem geringere Hürden für die digitale psychotherapeutische Versorgung. Gerade in der jetzigen Zeit sollten wir uns möglichst wenig mit „das geht so aber nicht“ aufhalten und stattdessen unkomplizierte und praktische Unterstützung anbieten können.
Person 8 (Assistenzärztin, 1. Jahr)
- Welcher beruflichen Belastung siehst du dich aufgrund von Covid-19 ausgesetzt?
Ich sehe mich durch covid keiner speziellen beruflichen Belastung ausgesetzt. Ich empfinde es sogar sehr spannend, mit Patienten zu arbeiten, die an einer bisher kaum erforschten Erkrankung leiden. Dadurch ist man natürlich gefordert, sich neben der Arbeit mit dem
Thema auseinander zu setzen und sich konsequent weiterzubilden und auf dem neuesten Stand zu bleiben. Für mich stellt das dadurch aufkommende interdisziplinäre Arbeiten eine Herausforderung im positiven Sinne dar. Ich behandele als Internistin covid erkrankte Patienten, die primär an fachfremden Erkrankungen leiden. Ich denke, hierdurch kann ich viele Erfahrungen für mein weiteres Berufsleben sammeln. Außerdem habe ich das Gefühl, dass man als Team in den letzten Wochen sehr zusammengewachsen ist und sich sehr schätzt, man „passt aufeinander auf“.
- Wie gehst du ganz persönlich mit dieser Belastung um?
Als belastend empfinde ich vor allem die Tatsache, dass die Patienten teilweise wochenlang in Isolation leben und keinen Kontakt zu ihren Angehörigen haben. Ich versuche, so häufig wie möglich mit den Angehörigen in Kontakt zu treten und sie über den aktuellen Stand zu informieren. Man sieht sehr häufig, dass diese Situation die Patienten sehr belastet. Gerade dann ist es sehr wichtig, sich Zeit für die Patienten zu nehmen und auf sie einzugehen. Glücklicherweise haben wir diese Zeit gerade für die Patienten.
Ich rede viel mit meiner Familie und Freunden über die Situation. Viele meiner Freunde auch Ärzte. Wir erleben gerade alle eine ganz neue situation, die sich niemand von uns hätte vorher vorstellen können. Wir sind füreinander da und stützen uns gegenseitig. Außerdem mache ich in meiner Freizeit viel Sport um den Kopf frei zu bekommen.
- Was brauchst du jetzt (von deinem Arbeitgeber, von der Politik, von Patient*innen und Angehörigen), um gesund und sicher arbeiten zu können?
Ich bin zufrieden mit den Arbeitsbedingungen. Zu Beginn der Pandemie wurden wir selber nicht auf Positivität getestet und hatten das Gefühl, in unserer Freizeit unsere nahen Angehörigen nicht mehr treffen zu können. Da man zur Zeit nicht weiß, wie lange diese Ausnahmesituation in etwa anhalten wird hat mich dies zunächst sehr belastet. Zum Glück werden wir jetzt regelmäßig getestet, sodass man seine Freizeit mit einem etwas besseren Gefühl geniessen kann. Ich würde mir manchmal ein bisschen mehr Planungssicherheit wünschen, wobei mir bewusst ist, dass dies im Moment sehr schwierig ist. Wir müssen im Moment sehr flexibel sein und erfahren teilweise erst am Tag zuvor, wie wir arbeiten müssen. Dadurch ist man in seiner freizeitplanung gerade sehr eingeschränkt. Ich habe allerdings das Gefühl, dass das Leben mit der Pandemie langsam zum Alltag wird und wir uns immer besser in diesen neuen Alltag einfinden und ein klein bisschen Normalität zurückkehrt. Man wird auf Sicht mit der Pandemie leben und sich auf diesen neuen Alltag einstellen.
Person 9 (Marc Hohrath, Lehrer für Pflegeberufe)
- Welcher beruflichen Belastung siehst du dich aufgrund von Covid-19 ausgesetzt?
Ständige Unsicherheit, ob Lockerungs-Maßnahmen angemessen oder doch gefährlich sind und Unterrrichte so wie vorgesehen durchgeführt werden können. Gefahr der Überschneidung von Kursen, wenn die Examina 2020 ausfallen.
- Wie gehst du ganz persönlich mit dieser Belastung um?
Gute Gespräche im Team, Ausgleich in der Freizeit (raus in die Natur, Laufen und
Mountainbike fahren).
- Was brauchst du jetzt (von deinem Arbeitgeber, von der Politik, von Patient*innen und Angehörigen), um gesund und sicher arbeiten zu können?
Der Arbeitgeber tut schon sehr viel für mich, aber von Seiten der Politik muss mehr Klarheit her. Wie geht es weiter, was sagen wir den Schülern? Finden Examen statt? Ist das ständige vorgeschriebene Arbeiten in Projektgruppen zur Erstellung eines neuen Generalistik-Curriculums in der Pflege ohne Mund-Nasenschutz überhaupt zu verantworten oder werden wir hier bewusst gefährdet?
Person 10 (Assistenzärztin, Innere Medizin im 5. Jahr, Berlin)
- Welcher beruflichen Belastung siehst du dich aufgrund von Covid-19 ausgesetzt?
Meine berufliche Belastung aufgrund der Corona-Krise besteht darin, dass ich meine reduzierte Stelle aufstocken und daher wissenschaftliche Projekte aufgeben bzw. vertagen musste. Das bedaure ich zwar aus persönlicher Sicht sehr, zugleich bringt die aktuelle Zeit für mich aus beruflicher Perspektive aber auch sehr bereichernde und befriedigende Erfahrungen mit sich: Endlich einmal geht es wirklich nur darum, meine Patient*innen so gut wie möglich zu versorgen. All die üblichen Belastungen durch den ökonomisch diktierten Druck im Rahmen der Fokussierung auf das Elektivprogramm fallen auf einmal weg, endlich fühle ich mich als Ärztin und nicht mehr nur als Aufnahme- und Entlassmaschine. Endlich einmal wird dafür gesorgt, dass genug Personal da ist, um einen unerwarteten Ansturm abzufangen. Auch wenn dadurch in Kauf genommen wird, dass gelegentlich so „viel“ Personal da ist, dass die Dienste „entspannt“ sind. Belastend ist aber mitanzusehen, dass Patient*innen alleine sterben müssen. Dies stellte zwar auch sonst leider keine Seltenheit dar, kommt im gegenwärtigen Zustand aber natürlich noch viel häufiger vor. Auch befürchten wir, dass durch die Fokussierung auf Covid andere Patient*innen vernachlässigt werden. Überdurchschnittlich viele Hausärztinnen, die aufgrund ihres Alters zur Risikogruppe gehören, haben überraschend ihre Praxis aufgegeben. Dadurch sind mit einem Mal viele alte, chronisch kranke Patient*innen ambulant unterversorgt – auch durch den Aufnahmestopp von vielen Pflegeheimen. Daher müssen mehr von diesen Patient*innen im Krankenhaus aufgenommen werden, was wiederum die Kapazitäten des Pflegepersonals überlastet. Zudem beruhen meine oben geschilderten positiven Erfahrungen – mich intensiver als sonst um meine Patient*innen kümmern zu können – unter anderem darauf, dass andere Patient*innen unzumutbar lange auf ihre Elektiveingriffe warten müssen. Das bringt einen bitteren Beigeschmack mit sich und kann natürlich auf Dauer auch nicht so weitergehen.
- Wie gehst du ganz persönlich mit dieser Belastung um?
Für mich als junge, gesunde Person halten sich die persönlichen Belastungen in Grenzen. Wesentlich kritischer sehe ich die Situation des Pflegepersonals: Einerseits besteht in diesem Bereich teilweise ein erheblich größeres Expositionsrisiko als für die ärztliche Seite, andererseits sind allein durch die andere Altersstruktur und die körperliche Belastung durch den Beruf (Stichwort jahrelanger Schichtdienst) mehr Risikogruppen in der Pflege beschäftigt. Man spürt deutlich, dass hier wesentlich mehr Angst und Verunsicherung herrscht. Ich finde es schwierig, mit dieser Situation umzugehen.
- Was brauchst du jetzt (von deinem Arbeitgeber, von der Politik, von Patient*innen und Angehörigen), um gesund und sicher arbeiten zu können?
Ich wünsche mir von meinem Arbeitgeber und von der Politik, dass aus der Corona- Krise handlungswirksam das Bewusstsein mitgenommen wird, dass das A und O einer guten Medizin und einer menschenwürdigen Versorgung von Patient*innen in einer ausreichenden Personaldecke besteht. Und die gibt es nur dann, wenn das Personal gesund bleibt. Das bedeutet nicht nur, genug Schutzkleidung zu stellen, sondern auch die entsprechenden Arbeitsbedingungen zu gewährleisten – in Zeiten von COVID und darüber hinaus.
Person 11 (Psychologischer Psychotherapeut)
- Welcher beruflichen Belastung siehst du dich aufgrund von Covid-19 ausgesetzt?
Ich bin Psychologischer Psychotherapeut. Im Rahmen der Covid-19-Pandemie erhöhte sich die Nachfrage nach ambulanter psychotherapeutischer Behandlung meines Eindruckes nach sehr deutlich. Vor der Pandemie war es mir bereits nicht möglich, den eingehenden Anfragen zu entsprechen. Seit Mai 2020 ist die Situation völlig aus dem Ruder, die Anzahl der eingehenden Anfragen ist absurd und nicht ansatzweise zu bewältigen. Es ist für mich dabei belastend, dass bei den anrufenden Personen meines Eindruckes nach überwiegend ein hoher Bedarf an einer psychotherapeutischen Behandlung besteht.
- Wie gehst du ganz persönlich mit dieser Belastung um?
Ich weise die Anrufer*innen ab und verweise auf Vermittlungsdienste der Kostenträger sowie der Kassenärztlichen Vereinigung. Leider erwarte ich, dass diese Vermittlungsstellen dem Problem auch nicht Abhilfe schaffen können, da die Versorgungslage insgesamt schlecht ist.
- Was brauchst du jetzt (von deinem Arbeitgeber, von der Politik, von Patient*innen und Angehörigen), um gesund und sicher arbeiten zu können?
Die ambulante psychotherapeutische Versorgung in Deutschland muss rasch verbessert werden über eine höhere Dichte an Psychotherapeut*innen. Ich sehe die nicht ausreichende ambulante psychotherapeutische Versorgung in Deutschland als einen Aspekt der gesellschaftlichen Stigmatisierung und der Diskriminierung von Personen mit psychischen Erkrankungen. Die Auswirkungen der Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie auf die psychische Gesundheit der Bevölkerung und auf das Gesundheitssystem sollten in der gesellschaftlichen Diskussion mehr Berücksichtigung finden.
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