Welche Auswirkungen haben Licht und Farbe auf die Psyche und das Wohlbefinden von Ärzt*innen?

Ein Essay von Sophie Issanga

Kahl, steril, kühl: Weiße Wände, weiße Zimmerdecke, Piepen, Surren, überall medizinische Apparate, flackernde Bildschirme, Neonlicht, LED-Spots.

Ärzt*innen und Pflegekräfte sind diese Atmosphäre gewohnt. Doch was passiert, wenn man sich Tag für Tag überwiegend in einer solchen Umgebung aufhält? Welchen Einfluss hat dies auf die eigene Psyche, die Stimmung und die Motivation an der Arbeit im Krankenhaus?

Der Mensch sieht Farben, sobald er die Augen öffnet. Es gibt Millionen von Farbnuancen auf unserer Erde und das menschliche Auge ist in der Lage bis zu 2,3 Millionen Farbtöne zu unterscheiden. (Campbell et al., 2015) Zu 99% nehmen diese unbewusst auf uns Einfluss und werden nur zu einem Prozent bewusst verarbeitet, dafür aber ganz unmittelbar und intensiv.

Auch der Kontext, in dem man eine Farbe wahrnimmt, ist entscheidend für die Wirkung und das persönliche Empfinden. Beispielsweise nehmen wir bereits vor der Geburt Farbnuancen im Mutterleib wahr. Keineswegs ist es in der Gebärmutter absolut dunkel. Die Umgebung erscheint vermutlich eher in einem abgedunkelten Rot-, Orange- bzw. Braunton und warmen Grautönen. Auch hier werden die Farben schon mit anderen Sinnesempfindungen gekoppelt: „Ich fühle mich sicher und geborgen.“, „Ich habe Ruhe.“ Besagte warme Farbtöne werden aus diesem Grund oft und gerne in Wohnräumen eingesetzt. (A. Buether, 2020)

Farben können aber auch einen gegenteiligen Effekt erzielen. Neben den wärmenden gibt es ebenso kühlende Wirkungen und unser gesamter Körperzustand passt sich dieser Wirkung an. Unterstützt wird dies insbesondere durch Licht. Keine Farbe kommt ohne Licht zustande. Das Aktivitäts- bzw. Passivitätslevel von Menschen lässt sich durch Lampen beeinflussen, denn je nachdem ob es hell oder dunkel ist, werden unterschiedliche Hormone ausgeschüttet. Diese stimulieren die Vigilanz oder den Schlafzustand.

Es gibt bereits einige Untersuchungen, die zeigen, dass blaues Licht mit einer Farbtemperatur über 5.500 Kelvin dazu führt, dass die Aufmerksamkeit und die Leistung steigen. (Studer et al., 2019)
Genauer gesagt reagieren unsere melanopsinhaltigen retinalen Ganglienzellen besonders empfindlich auf intensives blaues Licht. Ebenso wird die Serotoninausschüttung durch Licht stimuliert. Folge ist ein wacher Zustand mit hoher Konzentration und Aufmerksamkeit. (Ärzteblatt, 2018) In Krankenhäusern werden Lampen mit entsprechendem blauem Licht eingesetzt, um die Unfallgefahr im Beruf einzuschränken und das Fachpersonal in einen dauerhaften wachen Zustand zu versetzten.

Aber wie sinnvoll ist es, dass selbst in den Pausenräumen das gleiche kühle, sterile Klima herrscht?
In einer von Prof. Dr. Axel Buether und Dr. Gabriele Wöbker veröffentlichten Studienreihe im Universitätsklinikum Wuppertal untersuchte man den Einfluss der Farb- und Lichtgestaltung von Intensivstationen auf die Arbeitsmotivation, die Haltung und das Wohlbefinden des medizinischen und pflegerischen Personals. Es stellte sich heraus, dass besagter Personengruppe ein Atmosphärenwechsel in den Pausen äußerst wichtig ist. Nach einer farblichen Umgestaltung der Pausenräume war eine Verbesserung des Wohlbefindens um 66,7% nachweisbar. (D. A. Buether & Wöbker, 2020)

Das heißt es ist wichtig, auf eine klare psychologische Trennung der Arbeits- und Pausenräume zu achten und dies mit entsprechender „Farbgebung“ zu betonen.
Der Pausenraum, der von so großer Relevanz für Regenerationsprozesse ist, sollte klar von den Räumlichkeiten, die mit teilweise negativen Emotionen verbunden werden, wo Menschen leiden oder gar sterben, abgegrenzt werden. Fehlt diese Regeneration beeinflusst dies wiederrum, wie leistungsfähig wir sind, wie wir uns fühlen, unseren Biorythmus und folglich auch unser Schlafverhalten.
Häufige Müdigkeit und Schlafstörungen können zunächst zu einer unbemerkten Reduktion von Konzentration und Aufmerksamkeit führen und sich langfristig in einem erhöhten Risiko für Krebserkrankungen und Morbus Alzheimer äußern. Auch haben betroffene Personen häufiger mit psychischen Erkrankungen zu kämpfen und es kommt vermehrt zu Arbeitsausfällen. (MB-Monitor 2019, 2019)
In der Studienreihe des Helios Universität Klinikums Wuppertal stellte man nach der Farbgestaltung der unterschiedlichen Räume eine Verbesserung der Gesundheit des

Personals und folglich eine Reduktion der Krankheitsausfälle von 8,17% auf 5,28% fest. (D. A. Buether & Wöbker, 2020), (Prof. Dr. A. Buether & Dr. Hans Thorsten Körner, 2022)

Gesundheit ist „…ein Zustand vollständigen körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit oder Gebrechen.“ (Präambel der WHO-Verfassung 1948, zitiert nach WHO 2020, S.1)

Diese Definition von Gesundheit der WHO gilt ebenso für medizinische Fachpersonal wie für andere Arbeitsgruppen. Ärzt*innen fühlen sich sehr häufig überlastet und können die Pausen zwischen den Arbeitszeiten nicht zur Regeneration nutzen. (MB-Monitor 2019, 2019)

Dabei benötigt es nicht immer viel um eine große Verbesserung zu erlangen. Mit einfachen Mitteln, wie die Änderung der Raumfarbe oder die Änderung von Leuchtmitteln, kann eine ganz neue Atmosphäre geschaffen werden. Eine Atmosphäre, in der man für kurze Zeit abschalten, Pause machen und neue Energie tanken kann.


Literaturverzeichnis:

Ärzteblatt, D. Ä. G., Redaktion Deutsches. (2018, Oktober 2). Pro und Contra: Sollte die Winterzeit abgeschafft werden? Deutsches Ärzteblatt. https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/98093/Pro-und-Contra-Sollte-die- Winterzeit-abgeschafft-werden, letzter Zugriff am 26.04.23

Buether, A. (2020). Die geheimnisvolle Macht der Farben: Axel Buether (4. Auflage). Buether, D. A., & Wöbker, D. G. (2020). „Studienreihe zu den psychologischen und gesundheitlichen Auswirkungen der Farb- und Lichtgestaltung von Intensivstationen auf Patienten und Personal“.
Buether, Prof. Dr. A., & Dr. Hans Thorsten Körner. (2022, November 17). Wie wirken die Farben der Architektur auf das Wohlbefinden, die Gesundheit. colour.education. https://colour.education/studie-einfluss-der-farbgestaltung-auf-die-funktionalitaet- von-klinikneubauten/

Campbell, N. A., Reece, J. B., Urry, L. A., Cain, M. L., Wasserman, S. A., Minorsky, P. V., & Jackson, R. B. (2015). Campbell Biologie: Mit Online-Zugang (10., aktualisierte Edition). Pearson Studium ein Imprint von Pearson Deutschland.

MB-Monitor 2019: Überlastung führt zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen | Marburger Bund. (2019). http://www.marburger-bund.de/mb-monitor-2019, letzter Zugriff am 26.04.23

Studer, P., Brucker, J. M., Haag, C., Van Doren, J., Moll, G. H., Heinrich, H., & Kratz, O. (2019). Effects of blue- and red-enriched light on attention and sleep in typically developing adolescents. Physiology & Behavior, 199, 11–19. https://doi.org/10.1016/j.physbeh.2018.10.015

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