In der Bundesrepublik Deutschland leisten staatliche, private und wissenschaftliche Organisationen umfassende Präventionsarbeit zum Nutzen der Bevölkerung:

„Vorbeugen ist besser als Heilen“ gilt wohl als unbestrittenes Faktum medizinischen Wissens. Dieses Vorbeugen nennt der Fachkreis Prävention und meint damit „zielgerichtete Maßnahmen und Aktivitäten zur Vermeidung von unerwünschten Ereignissen oder Zuständen“. Hintergrund dieser Aussage ist, dass chronische Krankheiten, egal ob psychisch oder körperlich, nicht abrupt entstehen. Vielmehr wird die Entstehung von Krankheiten von verschiedenen Faktoren über die Zeit beeinflusst. Prävention setzt genau an diesen Faktoren und zu unterschiedlichen Zeitpunkten an, um Krankheiten zu verhindern oder Folgeschäden zu minimieren. Man will im wörtlichen Sinne, der Krankheit „zuvor kommen“ (lateinisch „prä = vor“ und „venire = kommen“).

Bei diesem Verständnis wird das präventive Handeln dem „Reparieren eines Schadens“ vorgezogen, obwohl im eigentlichen Sinne dieser Schaden nur bei der primären Prävention noch nicht eingetreten ist.

 

Die WHO teilt Präventionsmaßnahmen nach dem Zeitpunkt des Einsatzes im Verlauf einer Krankheit ein.

  • Primäre Prävention sind solche Maßnahmen, die vor dem Entstehen einer Erkrankung oder Beeinträchtigung eingesetzt werden, mit dem Ziel genau diese zu verhindern und gleichzeitig zur Erhaltung der Gesundheit beizutragen. Ein Beispiel aus dem Bereich Ernährung und Vorbeugung von Übergewicht, das die meisten noch aus ihrer Grundschulzeit kennen, sind Unterrichtsstunden zum Zuckergehalt verschiedener Lebensmittel und gesunder abwechslungsreicher Ernährung in den jüngeren Klassen.
  • Die sekundäre Prävention richtet sich dagegen gezielt an Personen, die bereits einem konkreten Risiko ausgesetzt sind oder bereits erste Anzeichen einer Krankheit oder Beeinträchtigung zeigen. Das könnte beispielsweise eine Analyse und Anpassung schlechter Essgewohnheiten von Kindern mit leichtem Übergewicht sein.
  • Noch später setzt die tertiäre Prävention ein, die bereits entstandene Schäden verringern soll, zum Beispiel in Form einer Abnehmkur oder gar eines operativen Eingriffs zur Verkleinerung des Magenvolumens bei Menschen mit starkem Übergewicht.
  • Bei der Quartären Prävention wiederum werden Maßnahmen zur Rückfallprophylaxe bereitgestellt, wie zum Beispiel regelmäßige Nachbesprechungen eines Reha-Aufenthalts, um das neue Gewicht halten zu können.

 

Neben zeitlichen Einteilung wird Prävention von der WHO außerdem in Verhaltens- und Verhältnisprävention eingeteilt, wobei ersteres an konkreten individuell umsetzbaren gesunden Verhaltensweisen (z.B. Ernährungstipps) ansetzt und letzteres regulierende Maßnahmen von außen (z.B. Erhöhung der Tabaksteuer) beschreibt.

 

Es gibt in Deutschland auf allen Ebenen der Prävention unzählige Angebote – von der Hautkrebsfrüherkennung bis hin zu von Krankenkassen geförderten Gesundheitsreisen. Seit Juli 2015 wird sogar in einem Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und Prävention (Präventionsgesetz – PrävG) die Bedeutung von Maßnahmen, wie Früherkennungsuntersuchungen und Impfschutz betont und bereits seit September 2013 wird die Vermeidung psychischer Belastungen im Arbeitsschutzgesetzt erwähnt.

 

Während Angebote zu „Rücken fit“, Entspannungstrainings und der richtigen Ernährung wohl nahezu omnipräsent sind und kaum jemand die Frage „Möchtest du gesund sein?“ verneinen würde, kommen konkrete Angebote oft zu spät. Der Dschungel der Angebote zur scheinbaren Gesundheitsoptimierung erscheint undurchdringlich; die eigenen Bedürfnisse dagegen sind schwer einzuschätzen.

 

Hinzu kommt, dass die Definition des Begriffs Prävention die Annahme transportiert, Krankheit – und damit vermeintlich einhergehende Gefahren – ließen sich grundsätzlich verhindern. Die Unterstellung, die hierbei mitschwingt: Eine betroffene Person hätte folglich die eigene Erkrankung vermeiden können, hätte sie sich nur genug angestrengt. Diese Annahme ist jedoch fatal und kontraproduktiv. Denn die in dieser Unterstellung lauernde Gefahr der Stigmatisierung und die Befürchtung, in eine Schublade gesteckt zu werden, verhindern womöglich eine frühzeitige Aktion. Frühes Handeln ist aber wichtig, damit Präventionsmaßnahmen wirken können. Die Teilnahme an Maßnahmen zur Prävention könnte als Eingeständnis gesehen werden, man hätte schon ein Problem – das man zudem nicht alleine lösen kann. Daraus kann resultieren, dass man selbst zu vorschnellen Urteilen in Form von Schuldzuweisungen neigt oder fürchten muss, dass andere dies tun und so eine Gefahr der Stigmatisierung droht.

 

Wir schlagen deshalb vor, von gesundheitsfördernden Maßnahmenzu sprechen, die dem*der Einzelnen mehr Raum für individuelle Bedürfnisse lassen. Der Vorteil des Begriffs der Gesundheitsförderung ist, dass dieser ein Ziel transportiert, auf das wir uns zu bewegen, dem wir uns annähern – das fördert die Motivation. Darüber hinaus reduziert es das Gefühl, dass ein bestimmter Zustand unbedingt vermieden werden muss, was eher Ängste fördern würde und selbstwirksames Handeln entgegenwirkt. Das soll nicht bedeuten, dass die die Verringerung von Risikofaktoren im Sinne der Prävention keinen wichtigen Stellenwert haben. Aber Risikofaktoren zu reduzieren und gleichzeitig schützende Faktoren, wie Kompetenzen zur Stressregulation und Wissen zu konkreten Handlungsstrategien, zu fördern, gehen in einer nachhaltig wirksamen Prävention Hand in Hand.

 

Die Vielfalt hierauf abzielender Programme ist groß:

Von Entspannungskursen, wie progressive Muskelrelaxation oder MBSR (Mindfulness-based Stressreduktion) – die von den Krankenkassen (mit-)finanziert werden – über Gesundheits-Aktionstagen mit „Rückenschule“ am Arbeitsplatz, bis hin zu Yoga-Kursen von Kliniken für die eigenen Mitarbeiter*Innen und Ernährungsworkshops von der Universität als Arbeitgeber. Die Angebote unzählig und oft kaum überschaubar. Individuelle Empfehlungen sind dagegen schon schwieriger zu finden. Das für den*die Einzelne richtige Programm zu finden kann hier sehr wertvoll sein und helfen, es zu vermeiden, selbst von psychischen Störungen betroffen zu werden.

 

Um das richtige Programm zu finden sind besonders zwei Punkte ausschlaggebend: Die eigenen Bedürfnisse bewusst und achtsam wahrzunehmen und Anhaltspunkte zu haben, welches Gesundheitsprogramm für einen das Beste wäre.