Ich bin Psychologische Psychotherapeutin und mit halben Kassensitz niedergelassen. Ich habe seit fast 10 Jahren die Diagnose einer Double Depression, wobei ich sicher auch schon vorher an Depressionen gelitten habe, nur sind sie bis dahin nie diagnostiziert worden. Ich bin 51 Jahre alt, habe meine Therapieausbildung vor 12 Jahren begonnen und bin seit gut 7 Jahren approbiert.
Grundsätzlich finde ich es (nicht mehr) problematisch, als Psychotherapeutin selber an einer psychischen Erkrankung zu leiden. Ich muss halt sehr gut aufpassen, dass ich nicht akut depressiv bin. Patienten, die ich für strukturell in der Lage halte, das auseinander zu halten, berichte ich von meiner Erkrankung. Sehr vorsichtig, sehr darauf bedacht, keine Grenzen zu überschreiten. Wo es möglich ist, ist es für Patienten eher hilfreich.
Selber war und bin ich durchgehend in psychiatrischer Behandlung, habe eine ambulante Psychotherapie gemacht und war einmal in stationärer Behandlung. Meine Erfahrungen sind sehr gemischt.
Der Psychiater, bei dem ich in Behandlung bin, ist fachlich hervorragend und ihm gelingt es sehr gut, die therapeutische Beziehung zu gestalten. Die Rollen sind ganz klar, er der Arzt, ich die Patientin, dennoch kommuniziert er mit mir inhaltlich auf Augenhöhe. Extrem angenehm.
In der Klinik hatte ich den Eindruck, dass es sehr hinderlich war, nicht nur Patientin, sondern auch Therapeutin zu sein. Möglicherweise weil ich älter war als die meisten Therapeuten, ärztliche und psychologische, hatte ich den Eindruck, sie fühlten sich mit mir überfordert. Einerseits war ich als Therapeutin mit gefragt ("Was würden Sie als Therapeutin einem Patienten jetzt sagen?"), die Rollen waren nicht klar und diese zu klären ist nicht meine Aufgabe, wenn ich Patientin bin. Andererseits wurde ich sehr arrogant behandelt, wenn ich für Patientinnen legitime Wünsche geäußert habe. Ich habe die Behandlung nach 10 Tagen abgebrochen. Seitdem mache ich alles, um eine erneute stationäre Behandlung zu vermeiden. Hat bisher zum Glück geklappt.
Die Suche nach einem ambulanten Therapeuten bzw. einer Therapeutin gestaltete sich als schwierig. Einige Male habe ich die Erfahrung gemacht, dass die Tatsache, dass ich selber Therapeutin bin, dazu führte, dass mir jemand keinen Therapieplatz angeboten hat. Einige benannten es offen, das war hilfreich. Bei mir selbst war es anfangs ambivalent. Ich habe mir viele Gedanken gemacht, dass ich nicht allzu "schwach" erscheinen darf, ich weiß ja angeblich, wie es geht, nicht depressiv zu sein. Den Zahn habe ich mir allerdings im Laufe der Therapie ziehen lassen.
Unterm Strich war es für mich nicht so sehr die Tatsache, dass ich als Patientin auch Therapeutin bin, sondern die Qualität der therapeutischen Beziehung. In dieser Hinsicht bin ich allerdings mittlerweile wenig kompromissbereit. Als Therapeutin stecke ich viel Arbeit in die Gestaltung einer förderlichen therapeutischen Beziehung. Das erwarte ich von meinem Gegenüber, wenn ich auf dem Patientinnenstuhl sitze. Das sieht nicht jeder und jede so, dass kann und mag nicht jeder und jede leisten. Dann muss ich weiter suchen.