Dieser Blogbeitrag wurde von Alexander aus dem Blaupause-Team geschrieben.
Die Blogeinträge spiegeln die persönlichen Meinungen und Erfahrungen der Autoren wider.
„Dr. Müller, Sie müssen nochmal mit den Angehörigen reden, die haben noch viele Fragen wegen
des Eingriffs, ob der wirklich sinnvoll ist… „ – „Ich muss auch noch irgendwann mal was essen, ich bin schon seit 7 Stunden hier ständig nur am
rumlaufen…“
Diese Sätze werden wohl jedem bekannt vorkommen. Sie sind weit verbreitet. Auch ich formuliere sie noch häufig in meinem Kopf. Verwerfe solche Sätze dann aber: Denn diese Worte beeinflussen nicht nur unser Denken und Handeln, sondern auch wie wir darüber
fühlen.
Meine These: Der Gebrauch des Wortes „müssen“ lässt uns oft vergessen, dass wir im Grunde
meistens die Freiheit haben, etwas zu tun oder nicht zu tun oder wenigstens einen Einfluss nehmen
zu können; dass wir nicht ausgeliefert sind.
Das Müssen erhebt einen absoluten Anspruch, von fester Moral, von Gottesgeboten, die nicht zu
ändern sind, denen wir zu folgen haben, damit uns nicht Vernichtung droht (oder der MDK, Chef
etc.).
Wenn wir am Tag 100 Dinge müssen, was ist dann wichtiger ? Der Patient oder ich, die Kollegin
oder ihr Kind, der Angehörige oder der MDK ?
Formen wir einmal den Satz um:
„Dr. Müller, es ist wichtig, dass Sie noch einmal mit den Angehörigen reden, weil diese sich nicht
sicher sind, ob sie dem Eingriff zustimmen …“
Es fühlt sich anders an.
Es ist nicht mehr absolut, sondern relativ. Es hat einen Bezugsrahmen bekommen, kann dadurch
ein-, über- oder auch untergeordnet werden.
Der betroffene Mensch kann freier entscheiden, wie er handelt.
Ob die Angehörigen 10 Minuten warten können, damit er etwas essen kann.
Ob der Katheterwechsel in dem Moment wichtiger ist oder der eigene Gang auf die Toilette…
Natürlich gibt es Situationen, in denen Menschen schnell handeln müssen, weil die Konsequenzen über
Leben und Tod entscheiden. Dann steht dieses MÜSSEN jedoch in einem klaren, für uns festen
Wertessystem (z.B. Das Leben ist das kostbarste Gut).
Und trotzdem macht es auch hier einen Unterschied, ob wir dieses Wertesystem mit Leben füllen
wollen oder uns nur als Handlanger dessen fühlen.
Sich innerlich zu sagen, ich stelle mich in dieser Situation zurück, weil der andere Mensch wichtig
ist, weil ich mir wünsche, dass Andere mit mir auch so umgehen, gibt uns wieder unsere Freiheit
zurück.
Und schenkt uns auch eine Freude, die wir im stressigen Arbeitsalltag oft vergessen:
In unseren Berufen wird uns die Möglichkeit geschenkt, anderen Menschen zu helfen, sie zu
unterstützen und zu begleiten.
Und dieses Geschenk können wir nur erbringen, wenn wir uns langfristig selbst nicht vergessen,
auch wenn wir uns selbst im Arbeitsalltag oft zurückstellen für den Patienten.
Werde das mal bei Google checken